Kleine Wiener Kaffeekunde & Kaffeehauskultur

Wiener Kaffeehaus

Kaffeehäuser gibt es überall, aber in Wien können Sie einfach mehr! Da gibt’s nicht einfach nur einen Kaffee (in Österreich auf der letzten Silbe betont!), da gibt es einen Verlängerten, einen Einspänner, einen Franziskaner, einen kleinen Schwarzen, u.v.m. – ein Urlaub reicht nicht aus, um sich durch die Vielfalt der österreichischen Kaffeespezialitäten zu kosten! Nicht umsonst zählt die traditionelle Wiener Kaffeehauskultur seit 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Tradition der Wiener Kaffeehauskultur reicht bis ans Ende des 17. Jahrhunderts zurück und ist eng mit der Türkenbelagerung verbunden: die in die Flucht geschlagenen Türken ließen u.a. Säcke mit grünen Kaffeebohnen zurück. Frank Georg Kolschitzky, der sich während der Belagerung große Verdienste erworben hatte, erbat sich den Sack als Kriegsbeute und die Erlaubnis, den ‚Türkentrank’ auszuschenken.

Das Wiener Kaffeehaus

Das erste Wiener Kaffeehaus ward geboren – und die Wiener liebten diese Institutionen vom ersten Tage an. 1803-1813 wurde das Wiener Kaffeehaus dann jedoch durch wirtschaftspolitische Maßnahmen Napoleons auf eine harte Probe gestellt. Kaum ein Kaffeesieder konnte sich damals den exorbitanten Zoll auf Kaffeebohnen leisten und etliche Kaffeehäuser – die bis dahin ausschließlich Kaffee servieren durften – standen kurz vor dem Ruin.

Um das Kaffeehaus-Sterben abzuwenden wurde den Wiener Kaffeesiedern 1808 dann erstmals gestattet, den bis dahin ausschließlich männlichen Gästen auch kleine warme Speisen und Wein zu servieren. 1856 hatten dann auch weibliche Gäste Zutritt zum mittlerweile wieder florierendem Wiener ‚Kaffee-Restaurant‘.

„Sie haben’s gut, Sie können im Kaffeehaus sitzen…“

…. sagte einst schon Kaiser Franz Joseph. Kaum ein Zitat beschreibt die Wiener Kaffeehauskultur sowie die Mentalität dieser Stadt besser. Hier wird man in Ruhe gelassen und in hitzige Diskussionen verwickelt, hier wird Schach gespielt und gelesen, komponiert und gefeiert, gelacht und geweint, gearbeitet und entspannt. Was den melancholischen Charme der Wiener Kaffeehäuser und deren Anziehungskraft ausmacht ist mit Worten schwer zu beschreiben – das muss man selbst erleben!

Das Wiener Kaffeehaus ist jedenfalls eine Institution. Treffpunkt für Freunde ebenso wie für Politiker, Journalisten und Geschäftspartner, Rückzugsort für Leser und Verliebte, Wärmstube für verarmte Intellektuelle und Einsame, Mekka für Philosophen und Künstler… Das Wiener Kaffeehaus ist vieles – und jedem etwas anderes!

Atmosphärisch hat sich hier seit Jahrhunderten kaum etwas geändert. Vom Ambiente her unterscheiden sich die Wiener Kaffeehäuser kaum – mit klassischen Marmortischen, gepolsterten Sitzlogen und Thonetstühlen eingerichtet und dem traditionellen Zeitungstisch ausgestattet bietet das Wiener Kaffeehaus seinen Besuchern exakt jene eine Insel in der Zeit, die man gerade braucht. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist jedes Wiener Kaffeehaus einzigartig und unvergleichlich.

„Herr Ober…!“

Die Servierkraft des echten Wiener Kaffeehauses ist meist männlich – gerufen wird sie ‚Herr Ober‘ – eine Verkürzung von Oberkellner. Der ‚Herr Ober‘ macht die Seele des Kaffeehauses aus. Er kennt Stammgäste und deren Wünsche – sowohl in Bezug auf Kaffee, als auch in Bezug auf Zeitungslektüre und darf auch – vor allem neuen Gästen gegenüber – etwas ‚grantig‘ sein – eine Wienerische Umschreibung des manchmal etwas spröden Charmes.

Doch Stammgästen gegenüber ist der Herr Ober ganz „gschamster Diener“ und überaus freundlich – kein Wunder, macht das Trinkgeld der Stammgäste doch einen nicht unbeträchtlichen Teil des Einkommens des Herrn Ober aus.

Typische Wiener Kaffeehäuser – eine Auswahl

  • Café Landtmann: gleich neben dem Wiener Burgtheater am Ring ist hier auch heute noch ein Treffpunkt für Politik, Presse und „Adabeis“
  • Hawelka: in der Wiener Dorotheergasse. Jahrzehntelang Treffpunkt für Literaten und Künstler. Das Hawelka wurde vom Wiener Liedermacher Georg Danzer in seinem Song „Jö Schau“ (auch bekannt unter ‚Der Nackerte im Hawelka‘) verewigt. Heute stark von Touristen frequentiert, aber trotzdem einen Besuch wert!
  • Café Central: das einst legendäre Literatencafé im Palais Ferstel hat eine über 140 jährigen Geschichte. An der Wende zum 20. Jahrhundert beliebter Treffpunkt für Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur, Politik und Wissenschaft wie Arthur Schnitzler, Sigmund Freud, Peter Altenberg oder Leo Trotzki
  • Café Prückel: ein Must! Hier ist die Zeit stehen geblieben! Unbedingt auch die Toiletten im unteren Stockwerk aufsuchen! Ecke Luegerplatz/Stubenring
  • Café Sperl: 1060, Gumpendorfer Straße 11: Erweitertes Wohnzimmer für linkskonservative Intellektuelle aus dem Gumpendorfer Grätzl und der Wienzeile-Umgebung
  • Café Ritter: 1070, Mariahilferstrasse 73 bzw. Eckhaus Schadekgasse/Amerlingstraße. Im Ritter, wie es auch kurz genannt wird, gibt’s die grantigsten Kellner – wenn man Glück hat ;-)! Bekannte österreichische Künstler und Literaten wie Friedrich Adler, Ludwig Anzengruber, Peter Rosegger, Rudolf von Alt und Gerd Jonke zählten zu den Stammgästen des Altwiener Lokals.

Ebenfalls einen Besuch wert: Café Demel, Café de’l Europe, Café Mozart, Café Museum, Kaffee Alt Wien, Café Schwarzenberg, Café Tirolerhof, Café Frauenhuber, Café Krugerhof, Café Westend, Café Hummel, …und noch viele mehr. Gehen Sie in die kleinen Altstadtgassen und lassen Sie sich treiben – Sie werden es nicht bereuen!

Damals wie heute ist das Kaffeehaus ein Treffpunkt für Jung und Alt. Einmalige Architektur, traditionelle Wiener Küche, feine hausgemachte Mehlspeisen und ein typischer ‚Herr Ober‘ mit einzigartigem Wiener Charme machen einen Besuch unvergesslich!

Hier gibt es keine Hektik, hier gibt’s keine schnellen ‚Macciato to go’, dafür aber Zeit, auch bei einem einzigen kleinen Braunen (Mokka in kleiner Schale mit Kaffeeobers serviert – das Glas Wasser zum Kaffee ist in Wien noch obligatorisch und gratis!) Stunden mit Lesen und Vor-sich-hin-sinnieren zu verbringen.

Wiener Kaffeekunde

Die wichtigsten Kaffeespezialitäten

  • Großer/Kleiner Mokka: Purer Espresso, ohne Milch
  • Großer Brauner: doppelter Mokka in größerer Schale mit Obers serviert
  • Großer Schwarzer: doppelter Mokka in größerer Schale
  • Kleiner Brauner: Mokka in kleiner Schale mit Obers serviert
  • Kleiner Schwarzer: Mokka in kleiner Schale
  • Melange: Mokka, etwas verlängert, mit Milch versetzt und Milchschaumhaube in großer Schale
  • Verlängerter: Mokka mit etwas mehr heißem Wasser aufgegossen

Die etwas ausgefalleneren Kaffeespezialitäten

  • Einspänner: Mokka im Glas mit aufgesetztem Schlagobers
  • Fiaker: Mokka mit einem kleinen Rum/Sliwowitz oder Kirschwasser
  • Franziskaner: Melange mit Schlagobers statt Milchschaumhaube
  • Kaffee verkehrt: Mokka mit sehr viel aufgeschäumter Milch – serviert wird eine großem Schale mit der aufgeschäumten Milch, der Mokka wird in einer kleinen Kanne beigestellt
  • Kapuziner: Mokka mit einem Schuss flüssigen Obers
  • Maria Theresia: doppelter Mokka im Stielglas mit einem Schuss Orangenlikör
  • Mazagran: doppelter Mokka mit Eiswürfeln gekühlt und Weinbrand/Cognac oder Maraschino versetzt
  • Obermayer: Mokka, auf den sehr kaltes, erst leicht angeschlagenes Obers mittels eines umgedrehten Kaffeelöffels aufgesetzt wird
  • Überstürzter Neumann: Kaffeeschale mit Schlagobers, das mit einem doppelten Mokka „überstürzt“ wird
  • Wiener Eiskaffee: Vanilleeis mit kaltem Mokka aufgegossen und mit Schlagobers serviert

Gut zu wissen: Sahne heißt in Wien Obers bzw. Schlagobers, in der festen Form auch einfach „Schlag“.

[abo]

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