Pornografie … in der Kunst

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pornografie-kunst - Bild © by Kave Atefie

Ein schwieriges und heikles Thema: Wo endet Kunst und beginnt Pornografie? Vielmehr, was ist Kunst überhaupt und was darf sie? Und vor allem, was nicht? Oder darf Kunst möglicherweise alles, denn würde nicht jedwedes selbstauferlegte Gebot ihre humanistische Grundidee einschränken?

Ist also ein erigierter Schwanz, an dem eine Ziege lutscht, die von einem Pavian penetriert wird, einfach nur perverser Schweinkram erster Güte, oder ein Manifest menschlicher Kreativität und Phantasie? Und ist die Sicht auf pornographische Darstellung in Literatur, Malerei, Film und Photographie verzerrt durch die Brille des Jahrzehnts oder Jahrhunderts, die darauf blickt?

Nackte Körper wurden schließlich immer schon gemalt oder aus Materialien geformt, Phallussymbole finden sich seit Menschengedenken – selbst an Höhlenwänden. Und egal welch liberal-aufgeklärte oder klerikal-konservative Strömung gerade den Zeitgeist bestimmte – offen oder unter der Hand wurde gerne mit Pornografie ein reger Tauschhandel betrieben.

Zur Kunst im heutigen Sinne wurde die Pornografie wohl erhoben, als der Adel seine Sammelleidenschaft entdeckte. Und mal ehrlich, wer hängt sich nicht lieber ein paar nackte, im kühlen Gebirgsbach badende Jungfrauen an die Wand, als eine öde Landschaft in der Provence. Wir sprechen von einer Zeit, in der es kein Fernsehen gab, wohlgemerkt.

Der wesentliche Unterschied zwischen moderner und historischer Pornographie in der Kunst ist wohl ihre Deutungsschwere. Mühten sich Künstler früherer Tage noch um Doppeldeutigkeiten, versteckte Anspielungen, um soziale oder gesellschaftliche Kritik, so scheint heute alles erlaubt.

Keine moralischen Mauern mehr einzureißen (nun, fast keine). Historische erotische und pornographische Bilder suchten oft klerikale Motive, suchten die Konfrontation mit kirchlicher, Sexualitäts-feindlicher Moral. Sie suchten die Provokation, wollten Grenzen überschreiten und gegen Verbote ankämpfen. Das scheint wohl einer der wesentlichsten Unterschiede zum Status Quo.

Heute erscheint Kunst – und speziell pornographische Kunst – oft nur als Selbstzweck. Eine riesige Vagina, Frauen die Kakteen reiten, Schlangenmenschen, die sich selbst Einen blasen, Jungfrauen, die auf Pferden reiten und von Pferden geritten werden – die sexuelle Revolution ist vorüber, wir leben in einer säkularisierten Welt, so etwas regt heute niemanden mehr auf.

Als „Deep Throat“ in den US-Kinos lief, zog er alle Alters- und Gesellschaftsschichten in die Säle und rüttelte am prüden Korsett, das Amerikas Torso die Luft abschnürt. Dieser Film gilt heute als Kult, als „Kunstwerk“. Das mag wohl kaum jemand vom – für den Videomarkt produzierten – Streifen „Alarm im Darm 13“ sagen.

Pornografie ist also von der Provokation zum Konsumgut verkommen, von der modernen Gesellschaft ebenso beiläufig vereinnahmt, wie alle anderen Güter und Dienstleistungen: Sie hat ihren Pfeffer, ihre Kraft, ihre revolutionäre, visionäre, aufrührerische Gewalt verloren. Heute regt sich beim Anblick pornografischer Kunst kaum noch etwas im Intellekt, nur in der Hose. Aber scheinbar ist das ja auch irgendwie in Ordnung. Und schön anzusehen ist sie – im besten Fall – immer noch.

[thomer]

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