Bisexualität

Bisexualitaet

„Sexuell flexibel“ nennt man Menschen, die sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen und Sex „situationselastisch“ genießen. Frauen sind in Hinblick auf ihre Sexualität im übrigen flexibler als Männer: Eine internationale Studie aus 2015 belegt, dass Bisexualität ein eher weibliches Phänomen ist. Doch was meint Bisexualität eigentlich genau? Geht’s da um eine einmalige Sequenz? Zum Beispiel im Rahmen eines flotten Dreiers? Oder eine lebenslange nicht ausgelebte Sehnsucht? Oder ein Switchen in der sexuellen Biographie?

Als bisexuell bezeichnet man im gängigen Sprachgebrauch Menschen, die sich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlen – und das nicht nur in sexueller Hinsicht. Ob Bisexualität auch (sexuell) ausgelebt wird, und wenn ja, wie, wie oft und wie lange – da gibt’s verschiedenste Ausprägungen.

Bisexualität – wie, wer, was, warum…

Bisexualität bezeichnet die Fähigkeit, eine sexuelle, emotionale und romantische ‚Hinziehung’ zu Menschen beiderlei Geschlechts zu erleben. Neben heterosexuellen und homosexuellen Beziehungen kann Bisexualität auch Beziehungen zwischen mehr als zwei Personen einschließen.

Wie hoch der Anteil der Bisexualität in der Bevölkerung ist, lässt sich nur schwer einschätzen; Aussagen dazu liegen sehr weit auseinander. Der Kinsey-Report aus 1948 stufte zwischen 90 und 95 % der Bevölkerung als „bis zu einem gewissen Grad bisexuell“ ein. Eine 2005 in den USA veröffentlichte Studie über bisexuelle Männer kam hingeben zu dem Schluss, dass eine bisexuelle Selbstbezeichnung nur in etwa zwei Prozent der Fälle eine sexuelle Orientierung tatsächlich zu beiden Geschlechtern bedeutet. Der große Rest der als ursprünglich bisexuell bezeichneten Probanden sei hingegen ‚eindeutig‘ homosexuell oder heterosexuell. Eine britische Studie aus dem Jahr 2015 ergab wiederum einen Anteil von 19 % Bisexuellen…

Die Tatsche der so weit auseinanderliegenden Ergebnisse ist wohl darin begründet, dass die einen Studien auf Selbsteinschätzung basieren, während bei anderen Studien sexuelle Erregungszustände beim Betrachten einschlägiger Bilder Daten lieferten, und dritte Studien auf die Technik der Fragestellung zurückgriffen. Also allein schon die Definition von ‚Bisxualität‘ scheint schwierig. Zudem wurden die Studien in unterschiedlichen Populationen in gänzlich unterschiedlichen Settings und in ganz unterschiedlichen Zeiträumen durchgeführt.

Tatsächlich gibt es keine verlässlichen Aussagen – weder über den Anteil der prinzipiell sexuell flexiblen Personen, noch über jenen Anteil, der die Bisexualität auch auslebt. Man geht aber davon aus, dass wesentlich mehr Menschen eine bisexuelle Veranlagung haben, diese aber nicht ausleben – sei es, weil Bisexualität noch immer tabuisiert ist oder aus Mangel an Gelegenheiten.

Bisexualität – ein eher weibliches Phänomen?

Die Studie „National Longitudinal Study of Adolescent to Adult Health“ aus 2015, in deren Rahmen 5018 Frauen und 4191 Männer von der Pubertät bis zum jungen Erwachsenenalter begleitet wurden, ergab: Bisexualität kommt bei Frauen dreimal häufiger vor als bei Männern. Frauen scheinen also auch punkto sexueller Orientierung „anpassungsfähiger“ als das sogenannte starke Geschlecht.

Männer hingegen seien meist entweder zu 100 Prozent hetero- oder zu 100 Prozent homosexuell. Frauen hingegen tendieren im Laufe ihrer sexuellen Laufbahn dazu, die Orientierung auch mal zu ’switchen’. Gleichgeschlechtliche Liebe zwischen bisexuellen Frauen ist zudem ‚gesellschaftstauglicher’. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dieser sexuellen Spielart viel eher das Attribut ‚sexy’ zugeschrieben, als sexuellen Handlungen zwischen Männern.

1999 erregten die beiden Mädels von der russischen Rockband t.A.T.u. erstmals großes Medieninteresse – und zwar weniger durch ihre Musik als vielmehr durch das bewusste Brechen von Tabus. Offen zur Schau gestellte Erotik und ihre vorgeblich (?) lesbische Beziehung waren zumindest ein genialer PR Gag. Madonna und Britney Spears – beide in fixen Beziehungen mit Männern – küssten sich 2003 bei den MTV Awards; 2008 sang Kate Perrys ‚I kissed a girl and I liked it‘, und auch 2013 gab es einen ‚Aufreger‘ beim Songcontest als Folge eines bisexuellen Outings.

Ob diese zur Schau gestellte Offenherzigkeit nun eher PR Coups sind oder tatsächlich sexuellen Neigungen entsprechen, wird wohl nicht eindeutig zu beantworten sein. Tatsache ist jedenfalls, dass Frauen offenbar eher dazu neigen, bisexuelle Neigungen auf der Bühne zu dokumentieren und/oder darüber zu sprechen – und sich manchmal auch bewusst für die „LGBT“-Community einzusetzen.

Jüngstes Bespiel: Lily-Rose Depp, die Tochter von Vanessa Paradis und Johnny Depp. Sie hat sich schon mit zarten 16 als nicht 100 % heterosexuell bezeichnet; sie interessiere sich vielmehr für Frauen und Männer gleichermaßen. Und um ein entsprechendes Statement zu setzen, setzt sie im Rahmen ihres Engagements für die Initiative „Self Evident Truths“, auch ihr hübsches Gesicht ein. Sie unterstützt dieses Foto-Projekt, bei dem sich Menschen als „sexuell flexibel“ outen, mit persönlichem Einsatz und befindet sich damit in prominenter Gesellschaft – Supermodel und Schauspielerin Cara Delevingne hat sich im Rahmen dieses Projekts ebenfalls als Männern wie Frauen gleichermaßen zugetan geoutet, ebenso wie Miley Cyrus, Kristen Stewart, und weitere – vor allem weibliche – Prominenz.

Nur davon träumen – oder ausleben?

Tatsächlich sind gleichgeschlechtliche Fantasien unter beiden Geschlechtern stark verbreitet. Frauen sind hierbei aufgeschlossener – auch was das Bekenntnis zu Bisexualität betrifft – als Männer. Männer äußern sich zu diesem Thema in Umfragen generell nach wie vor eher ungern – außer es handelt sich um ‚echte Aktivisten‘, denen ihr Outing ein Anliegen ist. Ansonsten ist das Thema Bisexualität bei Männern nach wie vor tabuisiert.

Doch auch Frauen setzen ihre bisexuelle Vorliebe nicht immer in die Praxis um. Vielmehr verhält es sich so, dass Frauen, wenn und solange sie am Partnermarkt attraktive Männer finden, eher in heterosexuellen Partnerschaften bleiben – bzw. blieben.

Seit rund 20 Jahren wagen aber immer mehr Frauen Experimente und folgen – manchmal auch nur vorübergehend – auch der Neigung zum gleichen Geschlecht.

Doch was unter weiblichen Celebrities fast schon zum guten Ton gehört, ist leider noch wenig im Alltag gelandet: Viele Betroffene fürchten sich vor einem Outing. Angst vor Ausgrenzung führt dazu, dass sie ihre Bisexualität sogar gegenüber ihrem engsten sozialen Umfeld, ja sogar gegenüber dem primären Beziehungspartner geheim halten.

Als Ursache für Diskriminierungen benennen sexuell Flexible besonders die mangelnde gesellschaftliche Sichtbarkeit von Bisexualität. Das Thema ist noch nicht im Kern der Gesellschaft angekommen – obwohl oder eben weil Bisexualität recht verbreitet scheint.

Beispiel gefällig? Bei Onlinedatingplattformen – mittlerweile ein überaus beliebtes Instrument zur Partnersuche – müssen sich Teilnehmer bei der Registrierung auf nur ein gesuchtes Geschlecht festlegen.

Bisexuelle Menschen beklagen daher zu recht, dass die Partnersuche als deutlich erschwert erlebt wird. Nahezu alle großen Online-Partnerbörsen schließen eine bisexuelle Suche aus.

Jetzt könnte man argumentieren, dass Bisexuelle sich ja bei der einen Plattform mit dieser und bei der anderen Plattform mit der anderen sexuellen Präferenz registrieren könnten – Tatsache ist jedoch, dass die potentiellen Partner mit einer nicht eindeutigen sexuellen Präferenz ein Problem haben könnten…

Good to know: Ungefähr 50% der Bisexuellen beider Geschlechter geben an, ebenso gerne mit einem Mann wie mit einer Frau ins Bett gehen zu wollen, der Rest hat geschlechtliche Vorlieben, möchte aber Abwechslung.

Sex mit Mann und Frau gleichzeitig oder Gruppensex ist bei Männern beliebter als bei Frauen. 75% der bisexuellen Männer wünschten sich Sex zu Dritt oder in der Gruppe, im Vergleich zu nur 35% der bisexuellen Frauen.

Rein biologisch ist Bisexualität übrigens etwas ganz natürliches, und bei jedem Menschen als Möglichkeit angelegt. Bis zum Ende des dritten Schwangerschaftsmonats ist jeder Embryo sowohl weiblich als auch männlich, erst in der späteren Schwangerschaft kommt es zur Ausdifferenzierung des Geschlechts – und zur Anlage sexueller Neigungen.

[abo]

Linktipps:

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National Longitudinal Study of Adolescent to Adult Health