Was war das für eine Aufregung, als in den frühen 1980er Jahren der G-Punkt von den Medien „entdeckt“ wurde. „Gefunden“ wude der hochsensible Bereich zwar bereits 1950 vom Gynäkologen Ernst Gräfenberg, doch erst dreissig Jahre später sorgte der – nach seinem Entdecker – benannte G-Punkt für mediales Aufsehen.
Plötzlich war eine ganze Generation von Frauen auf der Suche nach dem Lustkopf, der – bei entsprechender Bedienung – besonders intensive Orgasmen versprach. Obwohl diese völlig überzogenen Erwartungen wissenschaftlich nicht genährt wurden, begannen auch die Sexualforscher in dieser Zeit mit der genaueren Erforschung des Themas.
G-Spot – magische Lustzone der Frau?
Der Erwähnung des deutschen Gynäkologen Ernst Gräfenberg – er meinte bei Untersuchungen 1950 eine bohnenförmige Verdickung in der Vagina entdeckt zu haben, die wenn sie stimuliert wird, zu heftiger Erregung führt – wurde zu der Zeit keine besondere Bedeutung zugemessen. Und so dauerte es weitere zwei Jahrzehnte bis das Thema im Zuge von Forschungsarbeiten zur weiblichen Ejakulation von der Wissenschaft aufgegriffen wurde.
Dabei wurde gleich einmal die unpräzise Bezeichnung geändert, so wurde der G-Punkt in der Wissenschaft zur G-Zone (Gräfenberg-Zone). Untersuchungen ergaben nämlich, dass es sich dabei mitnichten um einen Punkt, sondern vielmehr um eine erogene Zone innerhalb der Vagina handelt, die unterschiedlich groß und von Frau zu Frau auch ungleich sensibel sein kann.
Problem: Nicht nur Größe und Sensibilität variieren, bei vielen Frauen konnten Gynäkologen den Bereich überhaupt nicht nachweisen. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts empfanden sich nicht wenige Frauen, die den magischen Bereich nicht finden konnten, als sexuell beeinträchtigt. Manche gingen sogar so weit, sich die vermeintlich unterentwickelte Zone per plastischer Chirurgie aufpolstern zu lassen.
Bei jenen Frauen, bei denen die ergogene Zone lokalisiert werden konnte, wurde sie zumeist etwa drei bis fünf Zentimeter vom Scheideneingang entfernt an der Vorderwand des Geburtskanales, zur Bauchdecke hin, unmittelbar hinter dem Schambein ausgemacht, und als abgeflachte Halbkugel von ca. 2 cm Durchmesser beschrieben. Durch die Vielzahl an Nervenenden und Blutgefäßen ist sie bei sexueller Erregung als ein geriffeltes Gewebe deutlich tastbar.
Durch die anatomische Lage können Frauen normalerweise ihre eigene Gräfenberg-Zone nicht einfach mit dem Finger erreichen und sind daher auf eine zweite Person – oder ein Hilfsmittel in Form eines speziellen G-Punkt-Vibrators – für die Stimulierung angewiesen. Frauen, die derart stimuliert werden können, berichten von besonders intensiven und „tiefen“ Orgasmen, bei denen es nicht selten zu einer weiblichen Ejakulation – einem mehrschübigen pulsierenden Ausstoß eines farb- und geruchlosen Sekrets – kommt.
Wissenschaft uneins
Ist man bisher davon ausgegangen, dass etwa 60% der Frauen über einen sogenannten G-Punkt verfügen, so lassen neueste Untersuchungen Zweifel aufkommen, ob es diesen Bereich anatomisch überhaupt gibt. Denn während die Fähigkeit der weiblichen Ejakulation – produziert wird das dabei freiwerdende Sekret von den paraurethralen Drüsen – eindeutig nachgewiesen wurde, ist die Beweislage für die Existenz des G-Punktes für einige Wissenschafter viel zu schwach und nicht ausreichend durch anatomische und biochemische Studien belegt.
Diese These unterstützt auch eine 2010 in der Fachzeitschrift „Journal of Sexual Medicine“ publizierte Untersuchung des renommierten King’s College in London. Dabei wurden rund 1.800 Frauen zwischen 23 und 83 Jahren befragt, ob sie glauben, einen G-Punkt zu besitzen oder nicht. Die Besonderheit: alle Studienteilnehmerinnen waren entweder eineiige oder zweieiige Zwillinge. Die Annahme des Forscherteams: Da bisher jede anatomische und physiologische Struktur eine genetische Basis hat, sollte dies auch beim G-Punkt der Fall sein.
Wenn dieser Punkt oder die Zone also tatsächlich existierte, müssten eineiige Zwillinge häufiger einstimmig berichten, ihn zu besitzen bzw. ihn nicht zu besitzen, doch genau dafür fanden die britischen Wissenschaftler in ihren Daten keinerlei Hinweise. Denn bei den identischen Geschwistern ging die Uneinigkeit über den G-Punkt genauso weit auseinander wie bei den zweieiigen Zwillingen, die nur etwa 50 Prozent des Genpools gemein haben.
Ob es sich bei dem G-Punkt tatsächlich nur um ein Hirgespinst der Medien und mancher geltungsbedürftigen Sexualtherapeuten handelt, oder ob es die Lustzone tatsächlich gibt, ist aus unserer Sicht aber eigentlich ziemlich irrelevant, solange wir uns an einem ungestörten Lustempfinden erfreuen können.
Linktipps:
- Magnus Hirschfeld Archiv: Die Gräfenberg-Zone
British Journal of Sexual Medicine
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Sowieso alles überbewertet, Hauptsache ist doch, dass es beiden Spaß macht und auf die Wünsche eingegangen wird. Sigi