Egal ob Kugelgrill, hochtechnisiertes Luxusgerät oder die offene Feuerstelle: Grillen war, ist, und bleibt ein archaischer Akt. Gegrillt wird überall auf der Welt – nur die Methoden unterscheiden sich! Grillen – und wir reden hier davon, Fleisch zuzubereiten, und keine vegetarische Grillplatte! – ist zudem Männersache – und auch das war schon immer so. Doch warum eigentlich?
Wahrscheinlich entstand das Grillen durch Zufall: Man geht davon aus, dass ein Überlebender eines Wald- oder Buschbrandes über die Reste eines verbrannten Rindes oder Pferdes stolperte, den Geruch interessant fand und Geschmack am gebratenen Fleisch fand. Das mag rund eine Million Jahre her sein – ein paar Jahre auf oder ab.
Jedenfalls bevor die Menschheit in der Lage war, das Feuer zu bändigen – vielmehr halfen sich unsere Vorfahren noch über Jahrhunderte mit ‚eingefangenem Feuer‘, einem Feuer also, dass nach einem Naturereignis ‚übrig geblieben ist‘. Dieses versuchten unsere Vorfahren – solange sie noch nicht selbst in der Lage waren, Feuer zu machen – so lange wie möglich am Lodern zu halten.
Grillen im Lauf der Zeit
Die kulinarische Geschichte des bewussten Grillens, wenn nicht die Menschheitsgeschichte überhaupt, begann damit, dass die Menschen das Feuer bändigten. Seit Hunderttausenden Jahren braten wir Menschen nun also mehr oder weniger frisch erlegtes Jagdgut über dem offenen Feuer. Die dabei auf der ganzen Welt parallel entdeckten Grilltechniken sind mannigfaltig.
Argentinische Gauchos spannten z.B. ganze Ziegen, Schafe oder auch Rinderteile auf Eisenkreuze und ließen diese sehr langsam über einem Bodenfeuer garen. In China und Frankreich wurden die ältesten Grillstellen der Welt entdeckt, und die Römer verwendeten im 4. Jahrhundert bereits eigens angefertigte Grillroste. Doch was landete auf den Grillern?
Rind war weltweit beliebt, aber nicht immer verfügbar. Neben Bisons standen daher vielerlei Tiere auf dem Speiseplan: Elche und Nashörner, Hyänen und Krokodile, Schweine, Hunde, Flughunde, Fische, große Insekten und kleine Nagetiere – was immer sich auf einem Spieß drehend oder auf einem Rost liegend auf offenem Feuer zubereiten ließ, wurde gegrillt. Ursprünglich wurde das Fleisch einfach ungewürzt zubereitet, später wurde man dann kreativer. Den alten Römern schreibt man übrigens die Erfindung der ersten ‚Bratwurst‘ zu.
Woher das Wort „Barbecue“ kommt, ist nicht eindeutig geklärt: die einen meinen, es sei karibischen Ursprungs und stamme vermutlich aus Haiti. Kreolen brachten dann nicht nur den Begriff, sondern auch raffinierte Rezepte, für die die Südstaaten noch heute bekannt sind, auf das amerikanische Festland. Eine andere Theorie besagt, dass französische Trapper im 17. Jahrhundert in Amerika ganze Bisons auf den Grill packten. Sie nannten das dann „Barbe-à-queue“: „vom Maul bis zum Schwanz“. Waren keine Bisons verfügbar, mussten übrigens eben Ziegen herhalten.
Wieder andere meinen, der englische Begriff „barbecue“, gehe auf das spanisch-mexikanische „barbacoa“ zurück. Dieses aus frischem grünen Holz gefertigte und vor allem zum Garen und Räuchern von Fleisch benutzte Gerüst, das auch zum Grillen verwendet wurde, hinterließ bei den spanischen Eroberern der Karibik im 15. Jahrhundert einen nachhaltigen Eindruck.
Lange Zeit, als ‚zu primitiv‘ außer Mode geraten, erlangte das Grillen in den Zeiten der großen Depression in den USA neue Popularität. 1951 wurde dann der Kugelgrill erfunden: mit dieser indirekten Grillmethode, bei der das Grillgut in einem geschlossenen Grill langsam gar wird, wurde die Zubereitungsart revolutioniert – und auch wieder salonfähig.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg schwappte die neue Kunst des Grillens auch nach Europa, speziell nach Deutschland und Österreich, über.
Die Welt des Grillens
Das bei uns so beliebte Spanferkel am Grill kommt aus Spanien, und heißt ursprünglich Lechon. Lechon ist übrigens noch heute in Puerto Rico und auf den Philippinen ein Nationalgericht.
In den USA unterscheidet man vier Hauptgrilltraditionen: Texas, Carolina, Memphis und Kansas City: Rind und/oder Schwein, beziehungsweise nur spezielle Teile der Tiere ebenso wie Würste werden zum Teil geräuchert – oder auch nicht-, im Ganzen oder klein geschnitten mit Saucen oder Gewürzen vorab, während dessen oder erst danach mariniert. Eine eigene Wissenschaft!
Schaschlik ist der russische Grillklassiker: oft, aber nicht zwingend Lammfleisch, abwechselnd mit Gemüse auf Spießen über Holzfeuer gerillt.
Das persische Wort für gegrilltes Fleisch ist Kebab – mittlerweile auch in der zentraleuropäischen Küche gut bekannt. Ursprünglich wurde nur Lamm verwendet, heute gibt es auch Kebab aus Rindfleisch und Huhn.
Die indische Art des Barbecues, Tandoori, zählt zu den ältesten der Welt: Ein in einer Garam-Masala Gewürzmischung gewendetes Huhn wird in einem Tandur, einem zylindrischen Tonofen, gegart oder auf einem Spieß geröstet.
Bei uns beliebt und bekannt ist auch die indonesische Grillspezialität Satay: Das Fleisch – häufig Huhn – wird zunächst in einer speziellen, auf Erdnuss und Kokosnuss basierenden Satay Sauce mariniert, und erst danach auf kleinen Spießchen gegrillt.
Gogi Gui ist die koreanische Art des Grillens und das bekannteste Gericht ist Bulgogi: dünne Rindfleischscheiben, mariniert in Sojaöl, Zwiebeln, Knoblauch, Reisessig und Zucker werden zart – meist am Tischgriller – gegrillt.
Das südafrikanische Braai beschreibt das gesamte gesellschaftliche Ereignis rund um das Grillfest. Wichtig sind auch die Getränke – einerseits fließen diese beim Braai in die Kehlen der Durstigen, andererseits wird auch das Grillgut laufend begossen.
Char Siu ist Chinas Antwort auf Barbecue. Das Fleisch wird zunächst in unterschiedlichen Soja – und Hoisinsaucen mariniert, bevor es auf den Grill gelangt.
Ebenfalls eine Erwähnung wert ist Khorkhog, die mongolische Grillküche: Ziegen – oder Lammfleischwürfel werden schichtweise in einen Behälter mit heißen Steinen gelegt und mit Wasser und Gemüse bedeckt. Der ganze Behälter wird danach aufs Feuer gestellt.
Jerk heisst das traditionelle Grillgericht der Jamaikaner: Die Fleischtücke werden vor dem Grill mit einer starken Gewürzmischung mariniert.
Als Churrasco bezeichnet man eine typisch lateinamerikanische Zubereitungsart von vornehmlich Rindfleisch über Feuer. Der Name Churrasco soll übrigens das Zischen des ins Feuer tropfenden Fettes nachahmen.
In Südamerika ebensfalls sehr beliebt: Asado : Besonders in Argentinien ist Asado ein Nationalgericht und bezeichnet sowohl die Zusammenkunft um den Grill als auch die Speise selbst.
Vom homo erectus zum Grillmeister des 21. Jahrhunderts
Grillen spricht unsere Urinstinkte an. Hitze, Rauch, der Geruch von Essen – all das weckt den Neandertaler – genauer, den Homo Erectus – in uns. Menschenähnliche Vorfahren, die sich um offenes Feuer versammeln – das war der Beginn der Menschheit: Seitdem Essen über Hitze zubereitet wurde, ging es rasant voran mit uns. Das Gebiss veränderte sich, durch die proteinreichere Nahrung wurde die Entwicklung von besseren intellektuellen Fähigkeiten beschleunigt – und in Folge entwickelte sich die Sprache.
Gunther Hirschfelder, Kulturwissenschaftler an der Universität Regensburg meint dazu: „Für die soziale und kulturelle Menschbildung spielte das Kochen mit Feuer – also das Grillen – eine große Rolle.“ Die noch heute anhaltende Begeisterung für das Grillen gründet sich demnach auf die positiven und genetisch eingeprägten Erfahrungen, die unsere Vorfahren gemacht haben – diese Begeisterung ist Teil unseres Erbguts und kaum einer kann sich ihr entziehen.
Grillen ist Männersache
Beim Grillen sind die Rollen meist klar verteilt: der Mann steht am Feuer, die Frau hält sich fern. Das war auch in der Steinzeit schon so. Doch wieso haben wir unsere Verhaltensmuster seitdem nicht verändert? Nun, zunächst findet der Mann am Grill zu seiner ureigensten Rolle als Familienversorger zurück: wenn er schon nicht selbst angelt, jagt und erlegt – was allerdings auch der Fall sein kann – dann will er wenigstens zubereiten!
Wer im Sommer durch deutsche oder österreichischen Gärten schweift, wird es bestätigen: Am Rost stehen und mit Feuer und Fleisch hantieren, tun in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Männer! 80 Prozent der Männer in Deutschland lassen sich die Grillzange nur ungern aus der Hand nehmen, 13 Prozent tolerieren beim Grillen überhaupt niemanden neben sich!
Und für zwei Drittel der befragten Frauen ist das auch ganz ok so! Doch was ist schuld an dieser eingefahrenen Rollenverteilungund wieso gibt’s beim Grillen keine Emanzipation?
Erklärungsmodelle gibt es viele: Einerseits, so sagt man, klammern sich Männer an ihre Grillzangen, weil Frauen in so vielen anderen Lebensbereichen bereits das Zepter an sich gerissen haben, und das starke Geschlecht eine der letzten Männer Domänen zu verteidigen trachte. Kulturwissenschaftler Hirschfelder dazu: „Für den Mann ist das Grillen eine Art postmoderner Reflex. Im Zuge der Emanzipation der Frau hat er evolutionäre Rechte eingebüßt. Machtverlust bedeutet immer auch ein Trauma. Im Grillen hat der Mann ein (letztes?) Refugium.“
Der Platz am Griller als letzte Insel der Männlichkeit? Erfüllung als Herr des Feuers, als Versorgers und Ernährer? Nun ja, am Grill kann der Mann sein, wie er tief in seinem Inneren immer gerne wäre – also warum nicht!
Außerdem eignen sich Grillabende perfekt dazu, so richtig zu zu schlagen. Grillgut gehört gegessen – da soll nichts übrigbleiben! Wo sonst das schlechte Gewissen nagt, wird hier mit Lust an der Sache bewusst über die Stränge geschlagen: Steaks, Hühnerbeine, ein paar Würstchen….solange man das Brot weglässt, ist das alles doch nicht so schlimm!?
Auch Etikette und Tischmanieren kann man über den Haufen werfen und keinen stört das: ein Kotelett gehört abgenagt und auch einen Maiskolben isst man am besten mit den Fingern! Beim Grillen werden die herkömmlichen Benimmregeln außer Kraft gesetzt. Der kulinarischen Fleischeslust sind keine Grenzen gesetzt, und ein Essverhalten, wie bei einer Grillparty würde wohl sonst bei keinem gesellschaftlichen Event toleriert werden.
Unarten wie Gefräßigkeit, Maßlosigkeit und schlechte Manieren – beim Grillen wird darüber hinweggesehen! Ein kleiner Ausbruch aus dem Alltag tut uns schließlich allen gut! in diesem Sinn: Mann, ran ans Feuer!
Linktipps:
– Lammfleisch – zarte, kulinarische Versuchung
– Erotische Kochkunst: So kriegen sie jede/n rum
– Aphrodisiaka – scharfe Sachen
– Bali – Insel der Götter