Es ist wohl das Vorurteil Nummer eins, mit dem sich männliche Wesen konfrontiert sehen: Männer wollen immer nur das Eine. Wenn es in Diskussionen zwischen den Geschlechtern um den „typischen Mann“ geht, wird dieses Klischee mit tödlicher Sicherheit aus dem Hut gezaubert. Ist der von der Evolution zeitweilig zum Jäger Ernannte wirklich immer nur auf der Suche nach schneller, frischer Beute?
Wollen tatsächlich alle Männer nur das Eine – und somit ein und dasselbe? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir tief in die Geschichte der Evolution eintauchen.
Wieder einmal die Evolution
Das Gehirn von Frauen und Männern entwickelte sich im Laufe der Jahrtausende unterschiedlich. Das Lebensziel beider Geschlechter liegt seit je her darin, möglichst viele überlebensfähige Kinder zur Welt zu bringen, die Strategien dahinter unterscheiden sich jedoch wesentlich. Hintergrund: Frauen können lediglich in längeren Zeitabständen und dies nur in einem bestimmten Lebensabschnitt Kinder zur Welt bringen. Männer sind hingegen – theoretisch – in der Lage, bis ins hohe Alter hinein jeden Tag Kinder zu zeugen. Umgekehrt unterscheiden sich die Investitionen, die in die eigene Fortpflanzung getätigt werden müssen: Der Mann muss im Extremfall nur ein paar Minuten aufwenden, um seine Samen weiterzugeben. Für Frauen hingegen bedeutet Fortpflanzung die Entnahme eines kostbaren Eis aus einem beschränkten Vorrat, neun Monate Schwangerschaft, das Risiko der Geburt und eine eventuell mehrjährige, darauf folgende Stillzeit. Auch wenn der Fortpflanzungsdruck heute aufgrund geänderter Lebensumstände in den meisten Weltgegenden hinfällig geworden ist, hat sich dieses stammesgeschichtliche Erbe in den männlichen Köpfen fest verankert.
Optische Reize machen Männer kurzsichtig
„Aber natürlich denken Männer nicht den ganzen Tag an Sex“, sagt der Leipziger Sexualwissenschaftler Kurt Seikowski. Da Männer allerdings leichter optischen Reizen unterliegen, werden sie eindringlicher an Sex erinnert als Frauen. So kommt nahezu jeder Mann mindestens einmal täglich zu einer Spontanerektion – bei der Frau existiert ein vergleichbar starker Mechanismus nicht.
Kanadische Forscher fanden heraus, dass Männer beim Anblick hübscher Frauen alle langfristigen Pläne und Lebensziele über Bord werfen, als würden sie nicht existieren. In einem Experiment, bei dem 96 Männer und 113 Frauen im Alter von zwanzig Jahren getestet wurden, mussten sich die Probanden zwischen einer kleineren, sofort verfügbaren Geldsumme und einem größeren, allerdings erst in der Zukunft auszuzahlenden Geldbetrag entscheiden. Zu Beginn des Tests planten sowohl Männer als auch Frauen langfristig und entschieden sich für den späteren, jedoch reichlicheren Geldsegen. Nachdem den Männern allerdings Bilder attraktiver Frauen gezeigt wurden, wählten plötzlich viel mehr Probanden den schnell verfügbaren Geldbetrag. Weder weniger attraktive Frauen, noch teure Autos riefen eine ähnliche Reaktion hervor.
Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass die Aussicht auf eine anziehende Partnerin Männer dazu bringt, sich plötzlich nur noch auf den Augenblick, sprich: die größere „Belohnung“ zu konzentrieren. Werden Männer also durch optische Reize stimuliert, „riechen“ sie förmlich die Chance auf baldigen Sex. Auch dieses Verhalten lässt sich evolutionstechnisch erklären. Während für Männer das höchste Ziel in einer schnellen, häufigen Fortpflanzung liegt, streben Frauen nach längerfristigem Schutz und Pflege der Nachkommen. Außerdem mache die kürzere Lebenserwartung einen zukünftigen Gewinn für Männer unsicherer, erläutern Wissenschaftler.
Sex nach wenigen Stunden
Frauen wird nachgesagt, dass sie es grundsätzlich langsamer angehen wollen, während Männer jedoch gleich „zur Sache“ kommen, seien sie doch ausschließlich an Sex interessiert. Der Psychologe David Buss von der University of Texas hat über 10 000 Männer und Frauen in 37 Länder zu den Eigenschaften ihres Wunschpartners gefragt. Während bei Frauen Status, Ehrgeiz und Fleiß ganz oben auf der Rangliste standen, war Männern Jugend und Aussehen wichtiger. Noch interessanter waren die Antworten auf die Frage, wie lange die befragten Menschen einen Wunschpartner kennen müssten, bevor sie mit ihm schlafen würden. Frauen schien ein halbes Jahr bis ein Jahr angemessen. Eine Woche war den meisten weiblichen Befragten zu kurz. Männern war hingegen eine Woche gerade Recht, vielen auch wesentlich weniger – bis zu einer Stunde.
Frauen in der Vormachtstellung
Doch das Klischee, dass Männer nur das Eine wollen, scheint mehr und mehr aus den Köpfen der Menschen zu verschwinden. Die scheinbar vorgegebenen Verhaltensweisen zwischen den Geschlechtern scheinen immer mehr zu verschwimmen. Immer öfter zerrt Frau Mann ins Bett, er will es jedoch lieber langsam angehen und sich erst Mal mit Kuscheln begnügen.
Besonders die norwegischen Männer scheinen kaum an schnellem Sex interessiert zu sein: Eine Studie der Universität Oslo enthüllte, dass norwegische Frauen mehr an Sex interessiert sind, als ihre männlichen Landsleute. Während sich die befragten Wikinger zwischen 20 und 26 Jahren nach Zärtlichkeit, Kuscheln und Küssen sehnten, stuften Frauen häufigen Sex als wichtiger ein. Diese „Vormachtstellung“ der Frau sei zwar neu, betont der für die Untersuchung verantwortliche Soziologieprofessor Willy Pedersen, zeige aber erneut die Verschiebung der typischen Geschlechterrollen auf.
Nein, Männer wollen definitiv nicht nur „das Eine“, auch wenn sie aus evolutionstechnischen Gründen eher dazu tendieren, sich schnell und oft fortpflanzen zu wollen. Wie langweilig wäre es denn auch, wenn Männer als jederzeit erregbare, im Handumdrehen zum Höhepunkt gelangende Wesen ihre Zeit zubringen würden? Beide Geschlechter wünschen sich Vielfalt, Phantasie, Abwechslung und Spaß: Nicht nur im Sex, sondern in jeder Beziehung.
[kate]
Linktipps & Quellen:
Spiegel online: Frauen wollen Sex, Männer wollen kuscheln
Steinzeit im Blut
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