Üppiges Besteck, schwere Teller – wie schönes Gedeck unseren Geschmack beeinflusst

Festliches Gedeck

Schmeckt Essen besser, wenn das Besteck leicht oder schwer ist? Wirkt sich die Farbe der Teller auf unseren Geschmack aus? Soll das Geschirr einfärbig oder gemustert sein? Wein aus dem Wasserglas oder Sekt aus dem Weinglas? Beeinflusst das alles tatsächlich unser Geschmacksempfinden? Wir haben für Sie recherchiert.

Das Auge isst mit…

Weiße Teller sind Standard – da kann man nichts falsch machen, sollte man zumindest meinen. Doch der Teufel steckt auch hier wie so oft im Detail, denn sowohl die Form, als auch die Schwere der Teller kann unser Geschmackserlebnis sehr wohl beeinflussen.

Charles Spence, international bekannter Professor für Experimentalpsychologie, ist Experte auf diesem Gebiet. Seine Gesellschaft analysiert Marketing und Design neurowissenschaftlich, er untersucht also den Einfluss des ‚Äußeren‘ auf unsre subjektive Wahrnehmung. 1997 gründete er das Crossmodal Research Laboratory (CRL) an der Universität Oxford – ein Institut, das sich auf die Erforschung der sensorischen Modalitäten ‚Hören‘, ‚Sehen‘, ‚Berühren‘, ‚Schmecken‘ und ‚Riechen‘ spezialisiert hat.

Es geht um den Einfluss der Sinneswahrnehmungen auf die Wahrnehmung der Welt insgesamt. So gut, so kompliziert. Im Prinzip sagt seine Forschung nichts anderes als der Volksmund: „das Auge isst mit“ – aber eben nicht nur das Auge… und wie’s schmeckt, hängt nicht nur von den Zutaten ab!

Die Wahrnehmung der Nahrung an sich

Unsre fünf Sinne ‚essen‘ mehr mit, als die meisten Menschen glauben. Das Optische sowie das Olifaktorische rund um ein Mahl erwecken Erwartungen: Bevor wir ein Essen kosten, sehen und riechen wir es im Regelfall. Auch Hören wir ein z.B. frisches Gebäck knuspern und erwarten einen bestimmten Geschmack – auch aufgrund der Konsistenz eines Nahrungsmittels, das wir zuerst in Händen halten – oder auf die Gabel spießen. Dass das Auge, das Ohr, die Fingerspitzen und die Nase sehr viel Vorinformation ans Hirn weitergeben ist neurowissenschaftlich eindeutig bestätigt. Aber auch die Präsentation eines Mahls erweckt Erwartungen.

… das Ambiente…

Dass auch das Ambiente wichtig ist, wissen wir alle aus persönlicher Erfahrung: egal was es ist und was man isst: bei einem romantischen Dinner zu zweit bei Kerzenschein und leiser Musik schmeckt es garantiert anders, als wenn wir uns so ganz nebenbei währen der Arbeit Nahrhaftes zwischen die Zähne schieben. Musik, Licht, Möbel – all das spielt eine große Rolle. Ist zum Beispiel die Musik laut und schnell, trinken und essen wir schneller. Es gibt auch Restaurants, die die einzelnen Gänge entsprechend inszenieren und neue Technologien einsetzen, um die Umgebung jedem Gang entsprechend zu verändern.

.. und die Präsentation der Speisen..

Während die Innovationen in der Küche – Stichwort Fusion – in den letzten Jahrzehnten enorm waren, hat sich in Sachen „Hardware“, wenig verändert, so Psychologe Spence. Teller und Besteck sind im wesentlich nach wie vor funktionell gestaltet, größere Innovationen gab es eigentlich nicht: weiße Teller sind nach wie vor Standard.

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Dabei beeinflusst die Farbe eines Tellers unser Geschmacksempfinden. „Legen Sie ein Stück Kokos auf einen weißen Teller und danach auf einen Schwarzen, und Sie werden sehen, was ich meine“, so Spence. Farben und Formen wirken sich definitiv auf die Lust auf das Essen aus; auch dass die Form eines Tellers sich auf das Empfinden von süßem oder saurem Geschmack auswirken kann, wurde wissenschaftlich bestätigt.

Weiters existiert die Theorie, dass das Gehirn eine Art Register von Geschmackserlebnissen, mit dem auch Farbassoziationen verknüpft sind, führt, und neue Geschmäcker und Farberlebnisse mit diesem vergleicht – und das umfasst zumindest in unserem Kulturkreis eben auch die Tellerfarbe.

Stoppschild kleiner roter Teller

Die Fachzeitschriften „Flavour“ und „Appetite“ haben dazu folgende Theorien: ein roter Teller wird unbewusst als Stoppsignal interpretiert und man isst dadurch automatisch weniger. Wer abnehmen will: auch kleine Teller helfen dabei, weniger zu essen. Die Erklärung ist einfach: ein kleiner Teller wirkt schneller voll – und ist der Teller einmal leer, hat man dennoch ‚leichter‘ das Gefühl, satt zu sein, wenn man ‚aufgegessen‘ hat. Wer beim Essen Kalorien sparen möchte, sollte also am besten von einem kleinen, roten Teller essen.

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Wenn Teller und Essen dieselbe Farbe haben, fällt die gegessene Portion meist wesentlich größer aus, als bei Farbkontrasten. Also Achtung bei Spaghetti Bolognese auf roten Tellern, oder Spinat auf grünen Tellern, oder gar Schokokuchen auf braunen Tellern….Blaue und weiße Teller eignen sich im Übrigen angeblich grundsätzlich weniger zum Abnehmen.

Wer allerdings zur Abwechslung einmal so richtig über die Stränge schlagen will und sich den Genuss gönnt: Heiße Schokolade schmeckt am besten aus orangefarbenen Häferln!

Apropos Häferl: Wie schaut’s eigentlich mit Gläsern aus? Für jede Rebsorte ein eigenes Weinglas? Champagner nur aus der Flöte? Tests mit Personen, die das gleiche Getränk – meist Wein – in verschiedenen Gläsern kredenzt bekamen, das Glas beim Trinken aber nicht in die Hand nehmen durften, ergaben, dass sie keinen geschmacklichen Unterschied feststellen konnten. Es kommt neben dem Sehen also bei der Gesamtwahrnehmung auch sehr auf das Spüren von Materialien und Formen an. Die unterschiedlichen Empfindungen sind also eher eine psychologische Angelegenheit, Gewohnheitssache und Ergebnis einer Menge Marketing, als tatsächlicher Geschmack!

Mit den Fingern essen?

Beim Drei-Sterne-Koch Heston Blumenthal oder im Restaurant Noma in Kopenhagen wurden, bzw. werden manche Gänge des Degustationsmenüs mit den Fingern gegessen – es wird einfach kein Besteck vorgelegt. Was vor 20 Jahren noch denkunmöglich war, setzt sich heute zunehmend durch – vor allem in der gehobenen Gastronomie. Konventionen zu hinterfragen bringt offenbar neue Erlebnisse!

Aber auch das Besteck an sich hat einen Einfluss auf das kulinarische Erleben: Dass das Essen besser schmeckt, wenn das Besteck schwerer ist, ist mittlerweile durch Studien belegt: Die Hälfte der Gäste in einem Restaurant aß mit einem leichteren, die andere Hälfte mit einem schweren Besteck. Serviert wurde allen das Gleiche. Jene mit dem schweren Besteck bewerteten das Mahl jedoch signifikant besser.

Und wer einmal Sushi mit westlichem Besteck gegessen hat, wird ebenfalls bestätigen, dass roher Fisch auf Reis mit Messer und Gabel einfach anders schmeckt als mit Stäbchen. Auch das Esserktzeug hat Einfluss auf die Wahrnehmung. Sie glauben’s nicht? Probieren Sie’s aus!

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