Glaubt man den zahlreichen Hochglanzgazetten und aufdringlichen Boulvardmagazinen, ist die Sado-Maso-Kultur endgültig fixer Bestandteil der Alltagserotik geworden. Peitsche, Handschellen und Gesichtsmaske zählen angeblich bereits zur Grundausstattung der heimischen Schlafzimmer. Doch echte SM-ler rümpfen darüber nur die Nase, denn bloße Sado-Maso-Fantasien haben mit echter Neigung wenig zu tun.
Per Definition versteht man unter Sadismus im erotischen Zusammenhang die Tatsache, dass ein Mensch sexuelle Befriedigung dadurch erfährt, dass er einen anderen Menschen oder mehrere seelisch und/oder körperlich demütigt, unterdrückt und quält. Demgegenüber besteht beim Masochismus die (sexuelle) Lust darin, seelisch und/oder körperlich gedemütigt, unterdrückt und gequält zu werden.
Wurden sadistische oder masochistische Neigungen noch bis vor wenigen Jahrzehnten als krankhafte Triebstörungen gesehen, haben die Psychologen ihre Meinung mittlerweile radikal geändert. Eigentlich kein Wunder, waren Gewalt und Schmerz doch bereits in der Antike weit verbreitete Elemente des Liebesaktes. Heute sollen zwischen fünf und zwanzig Prozent aller Menschen regelmäßig Spielarten von Schmerz und Unterwerfung praktizieren. Dabei unterscheiden sich die Handlungen von „Gelegenheitstätern“ enorm von jenen mit echten Hardcore-Neigungen.
SM-Sessions folgen oft strengen Regeln und Ritualen, die Rollen der dominanten und devoten Teilnehmer sind fix verteilt und gut eingespielt. Die soziale Stellung oder die Herkunft spielt allerdings keine Rolle. In den einschlägigen Lokalen sind Vertreter jeden Alters und aller Stände und Schichten anzutreffen.
Grundsätze und Tabus
Die Handlungen müssen stets im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen, außerdem wird in der Regel ein Codewort (meist”Safeword” genannt) wie „Ende“, „Stop“ usw. vereinbart, welches sexuelle Praktiken und/oder Rollenspiele sofort beendigt. Bewährt hat sich auch der sogenannte „Ampelcode“ – hier bedeutet „gelb“ soviel wie „ich bin an meiner Grenze, bitte nicht weiter“ und „rot“ heißt „etwas läuft verdammt schief. Sofort Spiel abbrechen, losbinden etc.!“. Manche Leute verwenden auch noch „grün“ um dem Partner zu signalisieren, daß sie etwas besonders schön finden und gerne mehr davon hätten.
Mit gegenseitigem Einverständnis sind partnerschaftlich ausgeübte Praktiken aus dem Bereich SM in Deutschland im Regelfall nicht strafbar. Kommt es jedoch – trotz Einwilligung – zu (schweren) Körperverletzungen, so ist die Tat etwa in Deutschland nach § 228 dann, trotz der Einwilligung, strafbar, wenn sie gegen die „guten Sitten“ verstößt.
Nach § 90 StGB ist eine Körperverletzung (§§ 83, 84 StGB) oder eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB) in Österreich nicht strafbar, wenn das „Opfer“ einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung nicht gegen die guten Sitten verstößt.
BDSM – eine besondere Mischung
Eigentlich sprechen die Szeneinsider von Bondage and Domination (Fesselung und Disziplin), Domination (Dominanz) and Submission (Unterwerfung) , Sadism and Masochism (Sadismus und Masochismus). Entsprechend breit gefächert und variantenreich sind die Praktiken der Szene, oftmals gekennzeichnet durch die ausschweifende Huldigung sexueller Fetische durch die Protagonisten. Selbstredend werden die Praktiken davon bestimmt ob es sich um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt und welcher Teil (Mann oder Frau) welche Rolle (dominant oder devot) einnimmt.
Beispiele gefällig? Bitteschön, anbei eine kleine Auswahl relevanter Praktiken:
– Analfisting
Anales Fisten bezeichnet die Penetration des Darmes (der Anus oder After ist die Austrittsöffnung des Darmes) mit den Fingern, der Hand oder gar des Unterarmes. (Fist = Faust).
– Bondage
Darunter versteht man die sexuelle Vorliebe für erotische Seilfesselungen. Dabei schränkt ein Partner (der sog. Top) den anderen (Sub genannt) – mit dessen Einverständnis – zu erotischen Zwecken in seiner Bewegungsfähigkeit ein. Dafür gibt es eine Menge an Hilfsmitteln: Fesseln, Handschellen, etc. Aber wenn man von Bondage im engeren Sinne spricht, meint man eigentlich immer „Bondage mit Seilen“.
– Crushing
Dies wiederum ist eine besondere Form des Fussfetischismus, bei der das Zertreten und Zerquetschen bestimmter Gegenstände luststeigernd auf den Betrachter wirkt. Crushing wird meist durch Frauenfüsse auf verschiedene Art und Weisen durchgeführt: mit Highheels oder anderem Schuhwerk, in Nylons oder barfuss
– Devotion
Das sexuelle Spiel mit der Unterwerfung. Motto: Sklavin/Sklave dient Herrin/Herr
– Fisting
Vaginales Fisten ist die Penetration der Vagina durch die Faust oder den ganzen Unterarm
– Flag
Schlagende Lustbeweise. Flagellanten haben eine sexuelle Vorliebe dafür, sich entweder selbst zu schlagen oder von einem Partner schlagen zu lassen. Es ist mit dem sogenannten Spanking verwandt, aber nicht identisch. Unter den Begriff Spanking fallen speziell solche Praktiken, bei denen primär und meist ausschließlich auf das Gesäß geschlagen wird. Spanking kann mit Erziehungsspielen, Rollenspielen und/oder mit Ageplay verbunden sein, muss aber nicht. Beim Flagellantismus spielt das Phänomen des Lustschmerzes eine entscheidende Rolle.
– Folienbondage
Ähnlich dem „normalen“ Bondage, werden hier aber nicht Seile oder Fesseln verwendet, sondern Klarsichtfolie.
– Kaviar
Nun, ein Randthema, geht es doch um den sexuellen Lustgewinn durch das Entleeren des Darmes auf dem Körper, also um das Spiel mit Exkrementen.
– Kliniksex
Bezeichnung für besondere Rollenspiele mit Arzt/Schwester-Patienten-Beziehung. Auch bekannt als Doktorspiele bzw. Weisse Erotik.
– Nadeln
Spezielle Praktik bei der die Angst vor dem Einstich einer Nadel als erotisches Vergnügen empfunden wird. Der Angstreiz vor dem kurzen, stechenden Schmerz eines Nadelstiches wird erotisch- spielerisch eingesetzt. Bei dieser blutigen Praktik ist besondere hygieneische Sorgsamkeit unbedingte Voraussetzung.
– Piss-Spiele
Wie der Name vermuten lässt, geht es dabei um tabulose Spiele mit „Natursekt“ (also menschlichen Urin). Die Mehrzahl der Anhänger weist auf die Luststeigerung durch den Tabubruch hin. Das Anpinkeln als Akt der Dominanz, bzw in passiver Rolle als Statement völliger Hingabe. Die sog. „golden shower“ fand gar in Frank Zappas Gassenhauer „Bobby Brown“ kokette Erwähnung.
– Sexspielzeug
Darf natürlich auch bei SM-Praktiken nicht fehlen. Schwerpunkt hierbei, Outfit und Devotionalien mit Fetisch-Charakter: Harnisse, Masken, Strap-Ons (Umschnall-Dildos), Uniformen, Lack-, Leder- und Latex-Outfit.
Literaturtipp: „111 Gründe, SM zu lieben“ von Cornelia Jönsson, 233 Seiten.
[red]
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